SSHAC Prozess

Warum braucht es Richtlinien für die Gefährdungsanalyse?

Die Erdbebengefährdung an einem bestimmten Ort kann nicht allein mit naturwissenschaftlichen Methoden bestimmt werden, da nicht alle dazu nötigen Daten vorhanden sind oder erhoben werden können. Ein wichtiges Element ist daher die Beurteilung der vorhandenen Daten und ihrer Unsicherheiten durch erfahrene, unabhängige Experten. Ihre Meinungsbildung darf vom Auftraggeber nicht beeinflusst werden.

Auf Verlangen der damaligen Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) – das heutige Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) – wurde das Projekt PEGASOS nach dem sogenannten SSHAC-Level-4-Verfahren durchgeführt. Die Richtlinien (NUREG-CR 6372) für dieses Verfahren wurden vom amerikanischen Senior Seismic Hazard Analysis Committee (SSHAC) entwickelt.

Ziel dieses Verfahrens ist, möglichst alle Meinungen der qualifizierten Fachwelt zu berücksichtigen und die Unabhängigkeit der Expertenurteile im grösstmöglichen Mass sicherzustellen. Es handelt sich um ein äusserst anspruchsvolles Verfahren, das viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nimmt. Dabei bildet das Level 4 die höchste von vier Stufen und soll gemäss dem Verfahren die grösstmögliche Unabhängigkeit der Experten und Robustheit der Ergebnisse sicherstellen.

Mit PEGASOS ist man in der Schweiz aber noch einen Schritt weiter gegangen und hat international neue Massstäbe im Bezug auf umfangreiche transparente Dokumentation und Qualitätssicherung bei der Erdbebengefährungsbestimmung gesetzt, die auch Eingang in neue Richtlinien (NUREG 2117) gefunden haben.

Systematisches Sicherstellen der Unabhängigkeit
Level-4 heisst, dass das Verfahren über das Einholen der Expertenmeinungen hinausgeht. Die Experten selbst sind für die technischen Auswertungen und die Modelle verantwortlich und diskutieren ihre Ergebnisse untereinander, um zur bestmöglichen Einschätzung der Gefährdung zu gelangen. Die Kernkraftwerksbetreiber können dabei keinen Einfluss auf die Meinungsbildung der Experten nehmen, ebenso wenig wie die Aufsichtsbehörde ENSI. Die Experten erarbeiten ihre Resultate nach ihrem besten Wissen und Gewissen. Das ENSI kontrolliert, dass die SSHAC-Regeln eingehalten werden.

Die Projektteams von PEGASOS umfassten rund 25 renommierte Professoren und Experten aus sieben europäischen Ländern und aus den USA. Rund 30 weitere schweizerische und ausländische Spezialisten stellten ihnen Daten und Expertisen zur Verfügung. Wissenschaftlich geleitet wurde der SSHAC-Level-4-Prozess bei PEGASOS von zwei amerikanischen Experten, die dieses Verfahren in den 1990er-Jahren mitentwickelt  hatten.

Ein solches Verfahren der Stufe 4 wurde bisher weltweit erst zweimal durchgeführt: Für das geologische Tiefenlager Yucca-Mountain in den USA und bei PEGASOS. Die Schweiz steht damit bei der Qualität der Abschätzung der Erdbebengefährdung ihrer Kernkraftwerke auf dem Spitzenplatz.